"Ich werde als Arzt gemobbt" – Was jetzt hilft und wann ein Wechsel sinnvoll ist

Mobbing gehört zu den größten psychischen Belastungen am Arbeitsplatz – und macht auch vor dem ärztlichen Berufsalltag nicht halt. Besonders in Akutkliniken, wo Hierarchien ausgeprägter sind und der Zeitdruck hoch ist, entstehen schnell Spannungen. Häufen sich Demütigungen, Ausgrenzungen oder subtile Angriffe durch Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen, ist die Rede von strukturellem Mobbing.

Solche Erfahrungen können krank machen. Zwei Querschnittsstudien aus dem Jahr 2021 (Beschoner et al., 2021) unter stationär tätigen Internistinnen und Psychiatern ergab, dass fast fünf Prozent der Befragten schon selbst Mobbing am Arbeitsplatz erfahren haben. Dabei besteht auch ein Zusammenhang mit dem Erleben von Berufsstress und Beeinträchtigungen der mentalen Gesundheit. Besonders von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind Medizinstudentinnen und Ärztinnen. In einer Umfrage an fünf deutschen Universitätskrankenhäusern gab etwa ein Drittel der befragten Medizinerinnen an, aufgrund einer bestehenden oder möglichen Mutterschaft diskriminiert worden zu sein (Tameling et al., 2023).

Sitzender Arzt in der Klinik stützt den Kopf in die Hände und schaut besorgt.

Wie Mobbing im ärztlichen Alltag aussehen kann

Mobbing im Gesundheitswesen ist selten offen aggressiv. Häufig zeigt es sich in abwertenden Kommentaren bei der Visite, in der wiederholten Zuweisung besonders belastender Dienste oder in der demonstrativen Ausgrenzung aus dem Team. Wer sich wiederholt solchen Situationen aussetzt, gerät schnell in eine Spirale aus Selbstzweifeln, Angst vor Fehlern und sozialem Rückzug.

Junge Äzrtin steht mit Stetoskop in Krankenhausflur und schlägt die Hände vors Gesicht.

So berichtete gegenüber dem investigativen Magazin Report Mainz eine Ärztin, die darauf bestand, auch als schwangere Chirurgin weiter im OP arbeiten zu können: „Ich wurde dann in meiner Abteilung gemobbt. Am Anfang war das sehr subtil. Du wirst nicht mehr begrüßt morgens, die Leute verdrehen die Augen, wenn sie dich sehen. Dir werden Informationen vorenthalten, um deine Patienten zu versorgen“. Es sei sehr erdrückend gewesen, als schwangere Frau so behandelt zu werden.

Das Problem ist alles andere als neu. Schon im Jahr 2001 beklagte das Deutsche Ärzteblatt in einem Artikel zum Thema den optimalen Nährboden, den die ausgeprägte Hierarchie in Krankenhäusern bietet: „Gemobbt wird in alle Richtungen: von den Chef- und Oberärzten nach unten (Abwärts-Mobbing), von den Kollegen untereinander (horizontales Mobbing), von den Assistenzärzten nach oben (Aufwärts-Mobbing), von anderen Berufsgruppen gegen die Ärzte und vonseiten der Verwaltung.“

Erste Schritte: Die Situation klären und sich Hilfe holen

Auch wenn es schwerfällt: Der erste Schritt sollte immer die klare und sachliche Dokumentation der belastenden Vorfälle sein. Notieren Sie sich Ort, Zeit und Hergang. Das kann Ihnen dabei helfen, das Geschehen im Nachhinein besser einzuordnen – gerade falls Sie später Unterstützung durch den Betriebsrat, die Personalvertretung oder eine Ombudsperson bei der zuständigen Landesärztekammer suchen. Dann ist es wichtig, Missstände möglichst konkret benennen zu können.

Parallel empfiehlt sich das Gespräch mit einer neutralen Vertrauensperson innerhalb oder außerhalb der Klinik – etwa mit einer erfahrenen Kollegin, dem Betriebsarzt oder einer psychologischen Ansprechperson. Einige Krankenhäuser verfügen inzwischen auch über interne Mediationsstellen oder psychosoziale Unterstützungsangebote, zum Beispiel das Psychosoziale Versorgungsnetzwerk der Charité Berlin, die sich gezielt an belastete Mitarbeitende im ärztlichen Dienst richten.

Haben Sie sich selbst ein klares Bild von der Situation und den ursächlichen Dynamiken gemacht und scheint eine Klärung innerhalb des Teams oder mit involvierten Vorgesetzten realistisch, können strukturierte Gesprächsformate helfen. Das kann etwa ein moderiertes Teamgespräch oder auch ein Einzelgespräch im Beisein einer neutralen dritten Person sein. Entscheidend ist, dass ein solches Gespräch nicht konfrontativ, sondern lösungsorientiert geführt wird. Einvernehmliches Ziel sollte es sein, Missverständnisse und Machtasymmetrien offen zu benennen und klare Grenzen für den künftigen Umgang zu setzen.

Wenn die Klinik krank macht: Über Alternativen nachdenken

Bleibt die Belastung dauerhaft bestehen oder verschärft sich sogar, kann eine berufliche Veränderung notwendig werden. Sollten Sie darüber nachdenken, beschränken Sie Ihre Optionen nicht auf den Wechsel in eine andere Klinik. Zwar bietet Ihnen dieser die Möglichkeit, akute Konflikte hinter sich zu lassen. Sollten Sie jedoch bestimmte Arbeitsbedingungen – etwa stark ausgeprägte Hierarchien, hohen Zeitrdruck bei der Patientenversorgung oder regelmäßige 24-Stunden-Dienste – als außerordentlich belastend und konfliktfördernd empfunden haben, ziehen Sie auch Alternativen in Erwägung. Haben Sie Ihre Entscheidung vorab gründlich abgewogen, ist der Ausstieg aus der Akutmedizin kein Zeichen des Scheiterns, sondern von Souveränität. Sie schlagen selbstbewusst Ihren Weg in eine gesündere und glücklichere berufliche Zukunft ein.

Arbeiten in der Rehabilitationsmedizin

Rehaeinrichtungen bieten in der Regel nicht nur ihren Patientinnen und Patienten mehr Zeit für therapeutische Zuwendung, sondern auch ihren Mitarbeitenden. Ärztinnen und Ärzte erleben dort oft ein weniger hierarchisch geprägtes Arbeitsklima und eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit – etwa mit Pflege, Psychologie, Physio- und Ergotherapie. Die Arbeitszeiten sind in der Regel planbarer, Nacht- und Wochenenddienste deutlich seltener.

Mehr zur ärztlichen Tätigkeit in Rehaeinrichtungen lesen Sie im Artikel: Aufgaben eines Reha-Arztes

Dr. med. Wiebke Dickfeld arbeitet als Assistenzärztin in der Edelsteinklinik für Kinder- und Jugendrehabilitation.

"Die enge Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen erlebe ich als sehr abwechslungsreich. Es ist motivierend, durch gute Zusammenarbeit die optimale Therapie auszuarbeiten."

Dr. med. Wiebke Dickfeld
Assistenzärztin Edelsteinklinik Bruchweiler
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Einstieg in den Sozialmedizinischen Dienst

Eine weitere Möglichkeit eröffnet sich im Bereich der Sozialmedizin – etwa als Prüf- oder Gutachterarzt bei der Deutschen Rentenversicherung. Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte unter geregelten Bedingungen, ohne Nachtdienste und mit planbaren Arbeitszeiten. Die Tätigkeit ist fachlich anspruchsvoll, aber weniger konfliktbeladen als die klinische Akutversorgung.

Auch hier werden ärztliches Wissen und diagnostische Erfahrung gebraucht – etwa bei der Prüfung von Reha-Anträgen oder Anträgen auf Erwerbsminderungsrenten. Für viele, die sich im Kliniksystem überfordert oder dauerhaft unter Druck gesetzt fühlen, ist die Arbeit im sozialmedizinischen Bereich häufig eine willkommene Alternative mit langfristiger Perspektive.

Einblicke in diesen Berufsweg bietet der Beitrag: Als Prüfärztin im öffentlichen Dienst glücklich geworden

"In meiner neuen Tätigkeit erlebe ich ein großes Maß an Selbstbestimmung."

Carina Pelikan
Prüf- und Gutachterärztin im Sozialmedizinischen Dienst
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Fazit: Es gibt Wege aus dem Mobbing

Wer im Klinikalltag dauerhaft gemobbt wird, sollte das nicht als ein in der Branche notwendiges Übel über sich ergehen lassen. Strukturelle Mängel, autoritäre Führungsstile und überforderte Teams begünstigen ein Klima, in dem sich Grenzüberschreitungen häufen. Darunter leiden Betroffene nicht nur persönlich – langfristig kann so auch die ärztliche Qualität in Mitleidenschaft gezogen werden. Dagegen hilft es, das Gespräch zu suchen, Unterstützung einzufordern – und notfalls einen klaren Schlussstrich zu ziehen.

Ob in der Rehabilitationsmedizin oder im Sozialmedizinischen Dienst: Es gibt berufliche Wege, die mehr Autonomie, Respekt und Arbeitszufriedenheit ermöglichen. Der ärztliche Beruf muss nicht auf Kosten der eigenen Gesundheit ausgeübt werden – und sollte es auch nicht.

Aktuell sind 61 Stellenangebote für Ärzte (m/w/d) verfügbar.

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