Optimale Arzt-Patienten-Beziehung fördert die Heilung
Wer Hilfe benötigt, muss Vertrauen haben. Dann sind Arzt und Therapeut gefragt, beispielsweise in einer Rehabilitationsklinik. Ein Gespräch mit Dr. Norbert Kieslich, Chefarzt in der Klinik Rosenberg in Bad Driburg.
Herr Dr. Kieslich, wie wichtig ist das Vertrauen zwischen Arzt und Patient?
Es ist enorm wichtig. Denn Vertrauen ist die Basis für den Behandlungserfolg. Ohne das Vertrauen eines Patienten kann ich als Arzt meinen Auftrag nicht erfüllen. Das gilt fast für alle Bereiche der Medizin mit ganz wenigen Ausnahmen, zum Beispiel wenn ein Patient nach einem Unfall ohne Bewusstsein ist und in die Notfallaufnahme kommt. Aber in dem Augenblick, wo Menschen denken, empfinden und fühlen können, ist das Vertrauen von zentraler Bedeutung.
Was müssen Ärztinnen und Ärzte leisten, damit Patienten Vertrauen aufbauen können?
An erster Stelle steht die Kommunikation. Sie muss im besten Fall geprägt sein von Verständnis, Empathie, Geduld, Respekt, Sicherheit und Freundlichkeit. Eigentlich alles Selbstverständlichkeiten, aber sie spielen einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung eine ganz tragende Rolle. Gibt es da Defizite, kann Vertrauen schwinden. Positiv gesagt: Je stärker diese Voraussetzungen mit Leben gefüllt werden, desto stärker ist die Vertrauensbasis. Ein besonderes Gewicht hat dabei Ehrlichkeit. Ich muss zu meinen Patientinnen und Patienten immer ehrlich sein, vor allem, was die Befunde angeht. Übrigens muss ich als Arzt auch ehrlich zu mir sein. Diese Ehrlichkeit wollen und müssen unsere Patientinnen und Patienten immer spüren und nachvollziehen können.

Arzt und Patient auf Augenhöhe
Es kommt also auf das "Wie" an?
Ja. Das Gespräch muss auf Augenhöhe geführt werden. Als Arzt darf ich nicht von oben herab sprechen. Und ich muss deutlich erkennen lassen, dass ich mein Gegenüber und dessen Anliegen ernst nehme und mich auch in seine Welt hineinversetze. Es sollte ja so sein, dass der Patient ausreichend zu Wort kommt. Der Arzt sollte sich immer selbst hinterfragen: Habe ich mehr geredet oder hat der Patient mehr geredet? Grundvoraussetzung einer optimalen Arzt-Patienten-Beziehung ist natürlich, dass verständlich kommuniziert wird und nicht Fachbegriffe in den Raum gestellt werden, die Laien nicht verstehen. Zudem müssen Patientinnen und Patienten stets das Gefühl haben, dass sie ungeteilte Aufmerksamkeit erfahren. Dazu zählt auch, dass ich zurückmelde, was ich wahrgenommen und verstanden habe.
Gilt das auch für die Behandlung und die Therapie selbst?
Für eine optimale Behandlung benötigen wir viele individuelle und teils intime Informationen; die erhalten wir nur, wenn uns vertraut wird. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, wonach etwa 70 Prozent der Patientinnen und Patienten medizinisch relevante Informationen verschweigen – wenn sie sich geringgeschätzt oder belehrt fühlen oder sich schämen, selbst nachzufragen. Also: Wir müssen unsere Patientinnen und Patienten zu jedem Zeitpunkt offen und ehrlich einbeziehen. So erzielen wir nachhaltige Behandlungserfolge. Patientinnen und Patienten wünschen sich in der Regel ein aktives, aufmerksames Zuhören, ehrliche Informationen und eine seelische Unterstützung.

Asklepios, dem antiken Gott der Heilkunst, wird ein zentraler Lehrsatz nachgesagt: „Als Erstes heile mit dem Wort, dann mit der Arznei und zuletzt mit dem Messer.“
Dieser Grundsatz hat sich im Grunde bis heute nicht geändert, auch was die Erwartungen der Patienten angeht.
Vertrauen zum Arzt fördert die Heilung
Gibt es einen Unterschied in der Intensität von Vertrauen zwischen rein körperlichen zu seelischen Heilungsprozessen?
Wenn es um die Psyche geht, ist Vertrauen noch wichtiger. Es geht ja quasi ans Innerste des Menschen, an seine Seele. Beispielsweise ist die Psychotherapie im Grunde die Behandlung von psychischen und körperlichen Erkrankungen durch gezielte seelische Einflussnahme. Dies funktioniert vor allem über die Beziehungsebene zwischen Therapeut und Patient. Da ist Vertrauen unerlässlich, damit sich der Patient öffnet, zu dieser Therapie bereit ist und sie auch wirklich aktiv mitmacht.
Gilt das auch für Gruppentherapien?
Diese werden ja sehr standardmäßig bei uns in der Rehabilitation eingesetzt. Dort ist es wichtig, dass sich die Patienten untereinander vertrauen. Unser Grundsatz: Alles, was in der Gruppentherapie passiert und gesprochen wird, bleibt dort und geht nicht nach außen. Das zu respektieren und zu akzeptieren, ist für die Gruppe ganz entscheidend. Wir achten sehr darauf, dass dieses Vertrauen gewahrt wird und Bestand hat. Jeden Tag neu.
Die Rehaklinik Rosenberg in Bad Driburg
Die Klinik Rosenberg ist eine von fünf eigenen Rehakliniken der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. Dort ist Dr. Norbert Kieslich Chefarzt. Er ist Internist und Gastroenterologe sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.